7.3.2009 14:30 Uhr
Gerade eben habe ich meine Brieffreundin Fatou Faye kennengelernt. Wir Mädchen haben die Zimmer im Heim besichtigt und den Bewohnerinnen beim Wäschewaschen zugesehen. Gleich, wenn sie fertig gebetet haben, essen wir zusammen. Wahrscheinlich gibt es Huhn. Dem (mussten) haben wir heute Morgen schon beim Geschlachtetwerden zugesehen.
Etwas später:
Herr Pitt, Janina und ich sind gerade in einer Quincaillerie (einem kleinen Bauwarengeschäft, dass wie ein Tante-Emma-Laden aufgebaut ist), um Holz, Schrauben und ähnliches zu besorgen, damit wir für das Wohnheim neue, bequemere Bettunterlagen bauen können.
22:00 Uhr
Um 17 Uhr haben einige Bewohner Faticks ein Tam-Tam für uns organisiert! Ein Tam-Tam ist ein Tanzfest, bei dem 4 oder 5 Trommler in senegalesischer Wiese trommeln und die Frauen der Stadt, die mit den Trommlern einen großen Kreis bilden, dazu tanzen. Der Tanz besteht aus scheinbar undefiniertem Gehüpfe und Gestampfe, aber nach einer Weile haben wir gemerkt, dass die Frauen sich tatsächlich nach einem Schema und dem Takt bewegen. Wir Mädchen wurden nacheinander von einer Tänzerin in den Kreis gezogen und mussten dann versuchen, dort ähnlich zu tanzen – was uns offensichtlich auch ganz gut gelungen ist, denn wir haben lauten Applaus geerntet. Ich wurden später sogar vom Cheftrommler extrem angetanzt, indem er sich über meinen Schoß stellte und mich anschließend in den Kreis zog, wo ich dann auch einfach wieder angefangen hab’, nach Lust und Laune zu strampelnJ Hat echt Spaß gemacht und den Frauen hat’s gefallen!
Leider ist mir am Ende des ganzen meine Kamera in den Sand gefallen, weswegen ich jetzt keine Fotos mehr machen kann. Aber dafür ist jetzt die Videokamera in meiner Obhut.
Achja: Frau Niessen hatte uns ja erzählt, dass uns hier „schlechte“ sanitäre Einrichtungen erwarten würde, sowie wenig zu essen und praktisch unerträgliche Temperaturen. Letzteres bewahrheitet sich ein wenig, wobei ich es mir ehrlich noch viel schlimmer vorgestellt habe und eigentlich ganz gut damit klarkomme.
Der Rest stellt sich jedoch als „Enttäuschung“ heraus: In Fatick hat sich offensichtlich viel getan, seit Frau Niessen das letzte Mal hier war. Wir leben wie bereits erwähnt in so einem Kongresszentrum, wo sowohl fließend Wasser als auch Deckenventilatoren vorhanden sind. Selbst die Mückenstiche, die ich größtenteils aus Dakar schon mitgebracht hatte, sind nicht besonders zahlreich geworden.Herrn Pitt hat es da mit 40 Stück wohl doch ein bisschen heftiger erwischt…wir werden hier bedient, wo es geht, haben heute zweimal riesige Speiseplatten bekommen und uns ist es teilweise richtig unangenehm, dass wir wie Könige behandelt werden und trotzdem ständig ablehnen müssen, weil es einfach zu viel Essen ist.
Also: etwas weniger Abenteuer, als erwartet, aber immer noch spannend genug J
Ich habe hier im Haus auch schon zwei Sorten Gottesanbeterinnen gefunden, unter anderen Vögeln vor dem Haus auch Krähen mit weißen Kragen und verschiedene Raubvögel. Bisher war also noch nicht einmal Ungeziefer dabei, dass mir ernsthaft unangenehm gewesen wäre. Wenn wir vom FEE, das direkt gegenüber liegt, zur Schule laufen, treffen wir öfters Esel, Ziegen und Geckos. Wie wir die Tiere und die Umgebung aufmerksam betrachten, erregen wir großes Aufsehen, egal wo wir auftauchen. Die kleinen Kinder lugen neugierig hinter den älteren hervor und die Jugendlichen tuscheln. Immer wieder rennen Kinder auf uns zu, rufen „Toubab!“ (=Weiße auf Wolof), möchten uns die Hände schütteln und laufen dann kichernd wieder zu ihren Freunden zurück.
8.3.2009 morgens
Janina schläft noch und ich bin zu aufgeregt, weil wir heute einen Tag in Gastfamilien verbringen werden! Ich wollte nun noch etwas zu unserer eigentlichen Projektarbeit erzählen: In dem Mädchenheim des FEE leben zur Zeit nur noch 5 der ehemals 11 Mädchen, die am Anfang des Projekts da waren. Insgesamt ist das Heim für 30 Schülerinnen ausgelegt. Die übrig gebliebenen, deren Eltern in Dörfern im Umkreis von Fatick wohnen und das Heim trotz der horrend angestiegenen Lebensmittelpreise noch bezahlen können, wohnen jetzt in zwei kleinen Zimmern. Das Heim ist mehr als baufällig: Der Putz ist von Kniehöhe abwärts abgeplatzt, der Fußboden besteht aus unebenem Beton, die Toiletten sind uralt und der Schimmel an den Decken breitet sich auch von Regenzeit zu Regenzeit immer weiter aus. Die Betten bestehen aus einfachen Holzgestellen, auf denen auf grob zusammengezimmerten Lattenrosten dünne Schaumstoffmatratzen liegen. Diese Art Matratzen haben wir bei uns im Kongresszentrum auch und sind froh, dass wir nur wenige Nächte drauf schlafen müssen. Deswegen sägen wir jetzt die Holzplatten in Bettkastengröße zum unterlegen unter die Matratzen.
Abends:
So: seit gestern Abend arbeiten im Mädchenheim die Zimmerer und wir konnten ihnen auch schon selbst beim Vermessen, Sägen und Hobeln der Holzplatten helfen!
Morgen werden wir hoffentlich anfangen, die Zimmer zu renovieren. Farben, Kacheln und Mörtel sind besorgt, oder zumindest geordert.
Heute waren wir Hamburger Mädchen jeweils alleine in Gastfamilien. Ich war in der Familie von Gisèle Madeleine, die wie auch die Gastschwestern der anderen, eine ehemalige Schülrin von Herrn Diouf ist.
Die Familie tröpfelte heute Morgen so nach und nach zuhause nach dem Kirchgang ein. Das heißt, die Mutter, drei Töchter, zwei Cousins und der zweijährige Sohn der einen Tochter. Die meiste zeit haben wir damit verbracht, im Wohnzimmer oder im Vorraum des Hauses zu sitzen, zu plaudern, senegalesische Popmusik zu hören oder ab und zu zu tanzen. Tanzen hieß, dass mich die Mutter und Gisèle mehrmals aufforderten, mit ihnen zu tanzen, was mich ziemlich in Verlegenheit brachte, aber dann am Ende doch Spaß machte.
Mittags gab es wieder Reis mit Fisch. Das ganze mit vielen für mich fremdartigen Gemüsen, wie zum Beispiel Tamarinde und eine Frucht, die wahnsinnig bitter ist und von außen aussieht wie eine Kreuzung aus Paprika und Knoblauch.
Das Essen nahmen wir natürlich auf dem Boden ein und ich aß das erste Mal nur mit der Hand. Nicht, weil ich keinen Löffel bekommen hätte, sondern einfach, weil ich das mal ausprobieren wollte.
Nach dem Essen ging es weiter, wie davor: die Familie saß aufgrund der starken Mittagshitze im Haus zusammen und redete wohl über Gott und die Welt. Leider auf Wolof, aber es war trotzdem eine Freude, zu zu hören, da immer wieder Nachbarinnen hereinkamen, die mal auf einen Plausch vorbeikommen wollten. Dann wurde hitzig diskutiert und mehrmals hatte ich den Eindruck, als wollten die Frauen gleich aufeinander losgehen und sich zoffen, aber dann lachten auf einmal alle laut los. Ich habe gelernt, dass der senegalesische Humor aus ganz viel Selbstironie besteht. Man veralbert sich unter Freunden eigentlich ständig gegenseitig und nimmt sich selbst auch nicht so ernst. Wie ich dort saß und nur wenig verstand, war ich trotzdem irgendwie auf einmal Teil des Ganzen – ein herrlich angenehmes Gefühl.
Das Haus, in dem die Familie von Gisèle wohnt, ist ein einfacher Flachdachbungalow und von der Bausubstanz ähnlich wie das Mädchenwohnheim und, da die Familie wohl zu einer der etwas wohlhabenderen in Fatick gehört, mit einer hohen Steinmauer umfasst. Eigentlich sind alle Häuser auf irgendeine Art und Weise umfriedet, wohl auch einfach, um die Ziegen im Hof zu halten und alles vor wilden Tieren und Kriminellen zu schützen.
Nachmittags hat Gisèles ältere Schwester mit mir Arachides Sucrées gemacht. Also gekochte und karamellisierte Erdnüsse, die dann in Glasflaschen verpackt werden – hmmjamm!
Gisèle hat mir ein echt senegalesisches Kleid geschenkt! Türkis grün, orange, braun gemustert mit arabischen Schriftzeichen darauf, von denen ich noch herausfinden will, was sie bedeuten.
Eben gerade haben Herr Pitt und wir Hamburger Mädchen noch hier im Flur des Kongresszentrums gesessen und uns über alles Mögliche wie die Menschen hier in der Stadt, die Bibel, die Pogo-Partei, Religionen und Berufswahl unterhalten.
Eine kurze Kleiderwäsche hat Janina gerade für uns gemacht, weil wir hier jeden Tag innerhalb weniger Stunden vollkommen einstauben.
9.3.2009
heute waren wir eine Stunde lang im Lycée von Fatick. Ich habe dort wieder an einer Französischstunde teilgenommen, die wirklich interessant war! Der Lehrer, der für die ganze Klasse (mit 65 Schülern) nur ein Buch hatte, las Zeile für Zeile Gedichte vor, die er dann zusammen mit den Schülern interpretierte. Dabei ging es um Gedichte eines Senegalesen zur Zeit der Kolonialisierung, der unter anderem beklagte, wie seine Landsmänner leiden mussten und, wie sie sich später immer mehr den Kolonialherren anpassten.
10.3.2009
Ich bin erstaunt! Fast überall hier in Fatick gibt es Telefonhäuser und Internetcafés! Zwar ist nicht alles auf dem neueren Stand, aber man kann damit arbeiten. Wir sind gerade im Internetcafé des Collèges Khar Diouf und versuchen, mit unseren Lieben zu Hause zu kommunizieren, was nicht ganz einfach ist, da es hier nur die ungewohnten, französischen Tastaturen gibt und irgendwie nicht jeder deutsche Server erreichbar ist.
11:45 Uhr
Jetzt sitzen wir hier gerade im FEE und tun…nix.
Zumindest nicht viel Sinnvolles.
Es heißt, wir könnten erst anfangen, die Wände im Wohnheim zu streichen, wenn die Fliesen gelegt sind. Die Fliesen sollen – Inshallah – irgendwann im Zeitraum Jetzt-morgen Abend ankommen. Blöd, dass wir morgen nach dem Frühstück schon an die Petite Côte fahren.
Abends:
Wir konnten doch schon streichen!
Zwar durften wir nicht lange arbeiten, aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht! Die Mädchen im Wohnheim freuen sich riesig! Besonders über das schöne, fröhliche gelb, dass jetzt das triste Grau-ocker-beige verdrängt, das vorher an den Wänden war.
11.3.2009
Heute Morgen sind ganz schöne Fliesen angekommen!
Ich freu mich so, dass das alles doch noch geklappt hat, auch wenn ich mir gewünscht hätte, noch mehr selbst hand anlegen zu dürfen.
Jetzt sind wir in der Ferienanlage Terre d’Afrique. Einer wirklich schönen Anlage zum Ausspannen, in der wir auch noch die einzigen Gäste sind. Aber ich kann mich nur sehr langsam damit anfreunden. Erstens, weil ich wie gesagt gerne noch mehr geholfen hätte, zweitens, weil ich, glaub ich, einfach nicht der Typ für Strandurlaub bin. Naja….mal schauenJ , vielleicht muss ich das auch einfach mal ausprobieren. Wir bleiben hier jetzt zwei Tage und fahren auch ins Naturreservat Bandia. Da freu ich mich schon riesig drauf!
Fazit:
Ich glaube, die Senegalesen sind bisher mein Lieblingsvolk. So etwas gastfreundliches, herzliches und vor allem offenes habe ich noch nicht kennen gelernt. Ein Beispiel hierfür ist die Begrüßungsfloskel „Ca va?“, also „Wie geht’s?“, die überall benutzt wird. Auch wenn man sich noch nicht gut kennt, fragt man nach dem Befinden der Familie des gegenüber und lässt sich Bilder von ihr und Freunden zeigen. „Teranga“ ist ein Wort, das die Mentalität der Senegalesen beschreiben soll, aber wirklich in Worte fassen, kann ich sie nicht. Das muss man einfach erlebt haben. Ich bin so glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte, das alles kennenzulernen und weiß, dass ich noch mehr als diese sechs Seiten hätte schreiben können, ohne wirklich viel mehr von dem vermitteln zu können, was ich erlebt habe!